Von der Weißtanne zum Einbaum: Am Attersee entstehen neue Steinzeit-Boote

Seewalchen (OTS) – Am Attersee fliegen wieder die Späne: Wo vor rund
8.000 Jahren schon
die Pfahlbauer mit Einbäumen über den See fuhren, entstehen nun zwei
neue Boote nach steinzeitlichem Vorbild. Der Verein „Pfahlbau am
Attersee“ führt die uralte Tradition mit Unterstützung der
Österreichischen Bundesforste (ÖBf) und des Naturhistorischen Museums
(NHM) fort: Die hölzernen Unikate entstehen aus zwei über 130 Jahre
alten Weißtannen, die die Bundesforste im Forstrevier Loibichl am
Attersee geerntet haben. „Seit jeher zählt der Wald zu den
wichtigsten Lebensgrundlagen des Menschen – Holz war schon in der
Steinzeit als Bau- und Brennstoff unverzichtbar und ist es bis heute
geblieben. Mit dem Einbaum-Projekt wird hier am Attersee ein Stück
Geschichte lebendig gemacht“, so Andreas Gruber, Vorstand für
Forstwirtschaft und Naturschutz der Bundesforste, die nicht nur die
umliegenden Wälder, sondern auch den Attersee nachhaltig
bewirtschaften. Während ein Einbaum vom Pfahlbauverein mit modernen
Werkzeugen hergestellt wird, fertigt ein Team um den
Experimentalarchäologen Wolfgang Lobisser den zweiten Einbaum
überwiegend mit nachgebauten prähistorischen Werkzeugen. So lassen
die Wissenschaftler*innen ein jahrtausendealtes Handwerk wieder
aufleben. 2011 bereits erklärte die UNESCO mehrere besonders gut
erhaltene Pfahlbau-Siedlungen am Attersee zum Weltkulturerbe.

Aus Baumriesen werden Einbäume

Für dieses außergewöhnliche Projekt kommen zwei besonders
mächtige Baumriesen mit einer Höhe von über 40 Metern und einem
Umfang von bis zu 3,5 Metern zum Einsatz. Um die passenden Exemplare
zu finden, haben sich die Mitarbeiter der Bundesforste intensiv auf
die Suche nach geeigneten Bäumen begeben und wurden in den
Gemeindegebieten von Innerschwand sowie Unterach fündig. „Die
Weißtanne ist eine für die Region typische Baumart mit langer
Tradition. Sie ist stabil, gut zu bearbeiten und damit ideal für die
Einbaum-Herstellung geeignet. Damit wird sichtbar, welche vielfältige
Rolle unsere Wälder in der Region spielen“, so Laurenz Aschauer,
Leiter des ÖBf-Forstbetriebs Traun-Innviertel.

Steinzeit-Werkzeuge treffen Motorsäge

Die Arbeit an den beiden Stämmen dauert insgesamt etwa zwei
Wochen. Dafür treffen an der Seewalchner Seepromenade Forschung,
Praxis und Geschichte aufeinander: Einer der beiden Stämme wird zum
überwiegenden Teil mit rekonstruierten Steinzeit-Werkzeugen aus Holz,
Stein, Eisen oder Bronze bearbeitet, beim anderen setzen die
Handwerker des Vereins Pfahlbau am Attersee und die Seewalchner
Bauernschaft hingegen verstärkt auf die Motorsäge. „Insgesamt rund
600 Stunden Handarbeit stecken in einem Einbaum – vom Abflachen des
Rumpfes bis zum Aushöhlen des Stammes. Uns geht es darum, diesen
ursprünglichen Charakter wieder lebendig zu machen und für alle
sichtbar und nachvollziehbar zu machen“, erläutert Gerald Egger vom
Pfahlbauverein Attersee.

Vom See zurück aufs Land

Nach der Erstbearbeitung werden die Einbaum-Rohlinge, die
sogenannten „Prügel“, für mehrere Monate im Attersee versenkt. Durch
die Wasserung kommt das Holz zur Ruhe und wird widerstandsfähiger
gegen Sonne, Wind und Regen. Im Sommer 2026 sollen die Einbäume
schließlich ihren finalen Schliff erhalten. Ihren nächsten großen
Auftritt werden sie im Rahmen einer Einbaum-Regatta haben, die wie
schon 2016 zahlreiche Besucher*innen an den Attersee locken soll.

UNESCO-Welterbe Pfahlbauten am Attersee

Pfahlbauten aus Holz, auch bekannt als Seeufersiedlungen, waren
in der Jungsteinzeit eine typische Siedlungsform im Alpenraum. Am
Attersee konnten bislang die Überreste von mehr als 30
Pfahlbaudörfern nachgewiesen werden. Unter Wasser und durch Sedimente
geschützt, blieben Hölzer, Werkzeuge und Alltagsgegenstände über
Jahrtausende erstaunlich gut erhalten. Die älteste bekannte Datierung
findet sich in Seewalchen im Bereich des Sprungturms und lautet auf
das Jahr 3.990 v.Chr. 1870 konnte der erste Pfahlbau in
Oberösterreich ebenfalls in Seewalchen am Attersee, unmittelbar am
Austritt der Ager, nachgewiesen werden. 2011 wurden die Fundstellen
am Attersee gemeinsam mit weiteren in sechs Ländern zum UNESCO-
Weltkulturerbe erklärt. Der Verein „Pfahlbau am Attersee“ vermittelt
dieses Erbe lebendig und knüpft mit den Einbäumen an die
steinzeitliche Tradition an. So wird sichtbar, wie eng Leben, Wald
und Wasser schon damals verbunden waren.

>>Pressefotos unter www.bundesforste.at